Gooooooood Morning Vietnam

17. Januar 2024

Lesezeit ohne Bilder: ca. ( Wörter)

Sorry, der musste sein 😉 Seit ich ein Kind war, begleitet mich eine gewisse morbide Faszination mit dem Vietnamkrieg. Und ich wollte mir dieses gebeutelte Land schon immer einmal ansehen. Um so schlimmer, dass ich nach meinem Tauchunfall auf den Philippinen im Juni 23 nicht direkt dort hin fliegen konnte. Am 5. Januar 24 war es dann aber soweit. Mein Flug ging von Labuan Bajo auf Flores via Denpasar auf Bali nach Ho-Chi-Minh-City in Vietnam.

Die Stadt des Untergrund-RevolutionÀrs

Das frĂŒhere Saigon wurde nach Ende des Vietnamkriegs zu seinen Ehren in Ho-Chi-Minh-City (kurz: HCMC) umbenannt. Der zentrale Stadtteil heißt jedoch immer noch SĂ i GĂČn. Hồ ChĂ­ Minh grĂŒndete die Kommunistische Partei Vietnams, kĂ€mpfte gegen die KolonialmĂ€chte China im Norden und Frankreich im SĂŒden sowie spĂ€ter gegen die USA.

Seine Statue steht heute vor dem Rathaus im französischen Kolonialstil, liebevoll auch “Wedding Cake Building” genannt. In den schicken Kolonialstil-Hotels der Innenstadt konnte man zu Zeiten des Vietnamkrieges vor allem “MĂ€dchen kaufen” – heute ist Prostitution in Vietnam verboten. Hinter meinem Hotel befand sich allerdings eine Straße, deren Leuchtreklame-Werbung und laute Techno-Rhythmen etwas anderes vermuten lassen…

HCMC ist die bevölkerungsreichste Stadt in Vietnam und der Verkehr ist der reinste Horror. Es gibt quasi kein ernst zu nehmendes öffentliches Verkehrsnetz, auch wenn die Franzosen einige Bahnlinien gebaut haben. Daher versucht man seit einigen Jahren eine Metro zu bauen. Eine Station gibt es auch schon. Das Problem ist jedoch die NĂ€he zum Mekong-Delta. Der Boden ist sumpfig und nass, alles muss perfekt abgedichtet werden und wenn man nicht die halbe Stadt abreißen möchte, auch perfekt abgestĂŒtzt. Ein Mammut-Projekt.

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion kehrte man vom reinen Kommunismus ab und ging zu einem Ein-Parteien-System (mit einer kommunistisch/sozialistischen Partei, in die man nur rein kommt, wenn man eine “saubere” Abstammung hat und bestimmte andere Voraussetzungen wie keine Religionszugehörigkeit hat) als “Sozialistische Republik” ĂŒber. Freie Wahlen gibt es allerdings nicht. Trotzdem hielt der Kapitalismus Einzug, die verschiedenen Embargos wurden aufgehoben und das Land öffnete sich. Heute hat Vietnam hat einen klaren Entwicklungsplan und gilt inzwischen als aufstrebendes Schwellenland. In 20 bis 30 Jahren wird es durch seine “Bambus-Politik” (biegsam, mit allen LĂ€ndern freundlich stellen, aber keine direkten Allianzen eingehen) in Asien ganz weit vorne stehen, denke ich.

Stadtrundgang

Aber genug rezitiert. Auf meinem Stadtrundgang mit einem lokalen Guide haben wir uns viele historisch bedeutende Orte angeschaut (unter anderem die “Landing Zone”, von wo aus die letzten Amerikaner evakuiert wurden – leider wird das GebĂ€ude 2025 abgerissen) und viele Hintergrund-Infos erhalten. Es ist immer super, viele Infos aus erster Hand zu bekommen anstatt alleine herum zu irren. Übrigens – zu meinem Treffpunkt (und ĂŒberhaupt ĂŒberall hin) fĂ€hrt man hier mit “Grab”. Das ist eine Art Taxi-App, allerdings kann man hier auch MotorrĂ€der auswĂ€hlen, was bei dem Verkehrsaufkommen oft viel schneller ist, als ein Auto 😀

Gemeinsam ist es schöner

Auf dem Stadtrundgang lernte ich eine total nette junge Deutsche kennen, mit der ich dann den Rest des Tages weiter durch HCMC getingelt bin. Insgesamt waren wir 13 Stunden gemeinsam unterwegs ^^ Unser erstes Ziel war das Kriegsreste-Museum. Hier sind nicht nur verschiedene Flugzeuge, Panzer, Waffen und BombenhĂŒlsen ausgestellt, sondern auch die berĂŒchtigten “TigerkĂ€fige” nachgebaut und schlimmen ZustĂ€nde und Praktiken in den kolonialen und spĂ€ter Kriegsgefangenen-GefĂ€ngnissen sehr explizit dargestellt. Im HauptgebĂ€ude gibt es dann Fotos, internationale Zeitungsberichte und sogar menschliche Exponate, die in Ă€ußerster Grausamkeit zeigen, was die USA der Zivilbevölkerung in Vietnam angetan haben.

Ich habe hier keine Fotos gemacht. Und ihr wisst, dass ich da normalerweise echt nicht zimperlich bin. Aber das kann ich schlichtweg nicht “einfach so” wiedergeben. Die USA hat hier die Zivilbevölkerung als Versuchskaninchen fĂŒr die schlimmsten Waffenexperimente der Kriegsverbrechen-Geschichte benutzt. Von Napalm– und Phosphor-Verbrennungsopfern ĂŒber Splitterbomben, die den Zerstörungsradius potenzieren bis hin zu heute noch in dritter Generation von genetischen Defekten betroffenen Opfern des Entlaubungsmittels “Agent Orange“. In wenigen Jahren des Vietnamkrieges wurden auf dieses verhĂ€ltnismĂ€ĂŸig kleine Land mehr Bomben abgeworfen, als auf der ganzen Welt im zweiten Weltkrieg – und wir haben alle die Bilder von zerbombten StĂ€dten in Europa gesehen… Bis heute gibt es Regionen, die wegen Landminen nicht sicher zu betreten sind. Ich kann einfach nur hoffen, dass es so etwas in der Geschichte unserer Erde einfach nie, nie wieder geben wird! Krieg ist NIE eine Lösung! Ein paar Bilder habe ich – wer sie nicht sehen mag, ĂŒberschlage die nĂ€chste Galerie!

Zu schöneren Dingen

Nachdem wir beide nach einem letzten Foto von einem Friedens-Wunsch-Poster etwas bedrĂŒckt aus dem Museum kamen, sind wir mit einem “Grab” zu dem Lotusknospen-Finanz-Turm gefahren. Man kann dort nĂ€mlich gegen GebĂŒhr hoch fahren und ich fand die Aussichten auf Tokyo oder Singapur so schön, dass ich das auch in HCMC gerne machen wollte. Wir finden, das hat sich gelohnt :D

Markttreiben

Anschließend sind wir dann zum zentralen Markt gefahren und dort ein wenig herum geschlendert. Unter dem ĂŒberdachten Areal gibt es kurzum ALLES! FrĂŒchte und GemĂŒse, jede Menge (Fake-Marken) Klamotten, Schmuck, Haushaltsartikel… Die GerĂ€usche und GerĂŒche können geradezu ĂŒberwĂ€ltigend sein

Traditionen

Nach dem Markt haben wir uns ein erstklassiges, vegetarisches Abendessen gegönnt, bevor es zum traditionellen Wasserpuppentheater ging :) Das war wirklich sehr beeindruckend! Die Puppenspieler bewegen verschiedene Figuren mit Geschick und Kraft hinter einem Vorhang im Wasser. Wir haben zwar kein Wort verstanden, aber vieles ging auch ohne Sprache, nur mit Musik!

Wasserbus und Skyline

Als letzte Station unseres langen Tages hatte uns unser Guide vom Morgen empfohlen, den Wasserbus eine Station den Fluss hoch zu nehmen und auf dem Hin- und RĂŒckweg die beleuchtete Skyline zu genießen. Gesagt, getan und es hat sich wirklich gelohnt. Wir sind ĂŒbrigens den ganzen Tag mit Grab unterwegs gewesen und haben insgesamt glaube ich keine 5 € bezahlt…

Rotlicht

Als ich (zwar einen Tag spĂ€ter, aber es passt thematisch besser hier her) zu meinem Hotel zurĂŒck kam, wurde ich sozusagen auf der rĂŒckwĂ€rtigen Straße abgesetzt. Ich hatte mich schon gewundert, wo am Vorabend (Samstags) die Techno-Musik her kam (im Zimmer war es aber leise), nun sah ich es… Hinter dem Hotel fĂŒhrt DIE Rotlicht-VergnĂŒgungsstraße von HCMC entlang. Da ich aber keine anstĂ¶ĂŸigen Bilder posten will, gibt es nur ein dort aufgenommenes Symbolbild – und das Empfangskomitee, dass mich dann in der kleinen Gasse am Hotel begrĂŒĂŸte. Die drei gucken schon SEHR vorwurfsvoll, finde ich ;)

Ein letzter Punkt am Rande… (Triggerwarnung fĂŒr Hundefreunde!)

Uns hat sehr gewundert, dass es hier so gut wie keine Straßenhunde gibt. Unser Guide hat uns erklĂ€rt, dass alle Haustier-Hunde Halsband tragen und nachts in der Regel auch drinnen verbringen, denn es gibt in Vietnam den Beruf des HundefĂ€ngers. Die gefangenen Hunde werden alle an Restaurants in einer bestimmten Gegend verkauft… Wenigstens leiden die so nicht jahrelang an Flöhen WĂŒrmern, RĂ€ude und Verletzungen von Autos…

Cu Chi Tunnel

Am darauf folgenden Tag hatte ich eine Tour zu den Cu Chi Tunneln gebucht. Die Nordvietnamesen fĂŒhrten bereits gegen die Franzosen und spĂ€ter auch gegen die USA einen Guerilla-Krieg aus dem Untergrund. Es gab nur wenig nördlich von Saigon ein 200km langes, dichtes Netz aus Tunneln (der lĂ€ngste hat 40km bis zur Grenze von Kambodscha), teilweise drei oder vier Stockwerke tief. Diese kann man heute besichtigen. Die Tunnel waren mit einfachsten Mitteln gegraben, hĂ€ufig nur 40-50 cm hoch, mit ausgeklĂŒgelten Systemen zur Ventilation (mit Bambus-Röhren, die in TermitenhĂŒgeln endeten) und zur Ableitung von Rauch aus der KĂŒche sowie etlichen Fallen und Notausstiegen in den Saigon Fluss. So konnten die Nordvietnamesen vor allem Nachts wie aus dem Nichts ÜberfĂ€lle tĂ€tigen und wieder verschwinden. Auch die (wirklich ĂŒbel brutalen) Fallen wurden gezeigt. GrundsĂ€tzlich fand ich das schon sehr spannend, denn wie wir wissen, waren die Vietnamesen am Ende trotz ihrer technologischen Unterlegenheit erfolgreich. (Wer das nicht sehen mag – Galerie ĂŒberspringen)

Wir sind tatsĂ€chlich auch in das berĂŒhmte “Loch” herab gestiegen, dass man dann unsichtbar mit einem Deckel zu machen konnte (und ich brauchte die Hilfe zweiter starker Leute, um meinen breiten Hintern wieder aus dem Loch heraus zu bekommen). Außerdem sind wir einen lĂ€ngeren Tunnel auf 2 Ebenen entlang gekrabbelt – es war extrem heiß, stickig und beklemmend. Zum GlĂŒck gab es Notausstiege nach 20m, 40m (den habe ich genommen), 60m und 2 Leute sind tatsĂ€chlich die vollen 100m gekrabbelt. Das war mir dann doch zu krass. Und die Vietnamesen haben dort teilweise JAHRE gelebt.

Auch sonst war der Erfindungsreichtum der Vietnamesen schon erstaunlich. Unter anderem gab es Sandalen aus LKW-Reifen, die man auch falsch herum anziehen konnte. So konnten Spuren in die falsche Richtung gelegt werden. Die ErnĂ€hrung bestand meistens aus Tapioka-Wurzeln mit ErdnĂŒssen. Schmeckt ganz prima. Der Rauch der KĂŒchen wurde weitrĂ€umig umgeleitet und dann unter feuchtem Blattwerk fast unsichtbar nach außen geleitet. Fiel doch einmal Rauch auf und wurde die Stelle mit Bomben beworfen, passierte nichts – denn die KĂŒche war komplett wo anders. In anderen RĂ€umen wurden nicht explodierte Bomben aufgesĂ€gt und das Sprengmaterial dann in Landminen Marke Eigenbau weiter verwendet. Ein Ă€ußerst gefĂ€hrlicher Job…

SchĂŒsse im Wald

Was mich aber wirklich, wirklich irritiert hat, ist, dass man in Cu Chi heute noch mit den Original-Waffen aus der Zeit schießen kann. Es gibt eine (extrem beliebte) Schießbahn. Auf dem Weg durch das “Open Air-Museum” hört man das schon immer wieder und man kommt dem auch immer nĂ€her. Ich habe in den Dschungel geschaut und konnte mir sehr gut vorstellen, wie man sich (auch als Zivilist) fĂŒhlen muss, wenn man so etwas hört, aber nicht weiß, wo das her kommt oder ob das nĂ€her kommt. Erneut etwas, dass mich eher verstört und nachdenklich zurĂŒckgelassen hat. ich verstehe auch nicht, warum man so etwas als Touristenattraktion anbietet. FĂŒr mich ist das der Gipfel der Geschmacklosigkeit an so einem Ort.

Weiter ins Mekong Delta

Mir wurde zwar dringend davon abgeraten, diese beiden “Attraktionen” an einem Tag zu machen, aber ich hatte nur 2 volle Tage (3 NĂ€chte) in HCMC gebucht und wollte dann weiter. Daher bin ich nicht – wie eigentlich besser gewesen wĂ€re – 2 Tage und eine Nacht ins Mekong Delta, sondern auf einen sehr (!) kurzen Abstecher am Nachmittag hin. Hier sind wir auch wirklich nur kurz auf ein Boot, haben eine kleine Volksmusik-Gesangseinlage bekommen und sind postwendend wieder zurĂŒck. NĂ€chstes Mal bleibe ich definitiv lĂ€nger und schaue mir auch den “Floating Market” an.

Und das war es dann auch “schon” aus HCMC und Umgebung. Es hĂ€tte sicherlich noch mehr anzuschauen gegeben, aber fĂŒr einen ersten, kurzen Eindruck war es gut so. Als nĂ€chstes machte ich nĂ€mlich einen recht spontanen “Umweg” nach Phu Quoc, einer Insel im SĂŒd-Westen, wo ich eine andere Weltreisende besucht habe. Aber davon – erzĂ€hle ich gerne beim nĂ€chsten Mal mehr :)

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