Gooooooood Morning Vietnam

Sorry, der musste sein 😉 Seit ich ein Kind war, begleitet mich eine gewisse morbide Faszination mit dem Vietnamkrieg. Und ich wollte mir dieses gebeutelte Land schon immer einmal ansehen. Um so schlimmer, dass ich nach meinem Tauchunfall auf den Philippinen im Juni 23 nicht direkt dort hin fliegen konnte. Am 5. Januar 24 war es dann aber soweit. Mein Flug ging von Labuan Bajo auf Flores via Denpasar auf Bali nach Ho-Chi-Minh-City in Vietnam.

Die Stadt des Untergrund-Revolutionärs

Das frühere Saigon wurde nach Ende des Vietnamkriegs zu seinen Ehren in Ho-Chi-Minh-City (kurz: HCMC) umbenannt. Der zentrale Stadtteil heißt jedoch immer noch Sài Gòn. Hồ Chí Minh gründete die Kommunistische Partei Vietnams, kämpfte gegen die Kolonialmächte China im Norden und Frankreich im Süden sowie später gegen die USA.

Seine Statue steht heute vor dem Rathaus im französischen Kolonialstil, liebevoll auch “Wedding Cake Building” genannt. In den schicken Kolonialstil-Hotels der Innenstadt konnte man zu Zeiten des Vietnamkrieges vor allem “Mädchen kaufen” – heute ist Prostitution in Vietnam verboten. Hinter meinem Hotel befand sich allerdings eine Straße, deren Leuchtreklame-Werbung und laute Techno-Rhythmen etwas anderes vermuten lassen…

HCMC ist die bevölkerungsreichste Stadt in Vietnam und der Verkehr ist der reinste Horror. Es gibt quasi kein ernst zu nehmendes öffentliches Verkehrsnetz, auch wenn die Franzosen einige Bahnlinien gebaut haben. Daher versucht man seit einigen Jahren eine Metro zu bauen. Eine Station gibt es auch schon. Das Problem ist jedoch die Nähe zum Mekong-Delta. Der Boden ist sumpfig und nass, alles muss perfekt abgedichtet werden und wenn man nicht die halbe Stadt abreißen möchte, auch perfekt abgestützt. Ein Mammut-Projekt.

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion kehrte man vom reinen Kommunismus ab und ging zu einem Ein-Parteien-System (mit einer kommunistisch/sozialistischen Partei, in die man nur rein kommt, wenn man eine “saubere” Abstammung hat und bestimmte andere Voraussetzungen wie keine Religionszugehörigkeit hat) als “Sozialistische Republik” über. Freie Wahlen gibt es allerdings nicht. Trotzdem hielt der Kapitalismus Einzug, die verschiedenen Embargos wurden aufgehoben und das Land öffnete sich. Heute hat Vietnam hat einen klaren Entwicklungsplan und gilt inzwischen als aufstrebendes Schwellenland. In 20 bis 30 Jahren wird es durch seine “Bambus-Politik” (biegsam, mit allen Ländern freundlich stellen, aber keine direkten Allianzen eingehen) in Asien ganz weit vorne stehen, denke ich.

Stadtrundgang

Aber genug rezitiert. Auf meinem Stadtrundgang mit einem lokalen Guide haben wir uns viele historisch bedeutende Orte angeschaut (unter anderem die “Landing Zone”, von wo aus die letzten Amerikaner evakuiert wurden – leider wird das Gebäude 2025 abgerissen) und viele Hintergrund-Infos erhalten. Es ist immer super, viele Infos aus erster Hand zu bekommen anstatt alleine herum zu irren. Übrigens – zu meinem Treffpunkt (und überhaupt überall hin) fährt man hier mit “Grab”. Das ist eine Art Taxi-App, allerdings kann man hier auch Motorräder auswählen, was bei dem Verkehrsaufkommen oft viel schneller ist, als ein Auto 😀

Gemeinsam ist es schöner

Auf dem Stadtrundgang lernte ich eine total nette junge Deutsche kennen, mit der ich dann den Rest des Tages weiter durch HCMC getingelt bin. Insgesamt waren wir 13 Stunden gemeinsam unterwegs ^^ Unser erstes Ziel war das Kriegsreste-Museum. Hier sind nicht nur verschiedene Flugzeuge, Panzer, Waffen und Bombenhülsen ausgestellt, sondern auch die berüchtigten “Tigerkäfige” nachgebaut und schlimmen Zustände und Praktiken in den kolonialen und später Kriegsgefangenen-Gefängnissen sehr explizit dargestellt. Im Hauptgebäude gibt es dann Fotos, internationale Zeitungsberichte und sogar menschliche Exponate, die in äußerster Grausamkeit zeigen, was die USA der Zivilbevölkerung in Vietnam angetan haben.

Ich habe hier keine Fotos gemacht. Und ihr wisst, dass ich da normalerweise echt nicht zimperlich bin. Aber das kann ich schlichtweg nicht “einfach so” wiedergeben. Die USA hat hier die Zivilbevölkerung als Versuchskaninchen für die schlimmsten Waffenexperimente der Kriegsverbrechen-Geschichte benutzt. Von Napalm– und Phosphor-Verbrennungsopfern über Splitterbomben, die den Zerstörungsradius potenzieren bis hin zu heute noch in dritter Generation von genetischen Defekten betroffenen Opfern des Entlaubungsmittels “Agent Orange“. In wenigen Jahren des Vietnamkrieges wurden auf dieses verhältnismäßig kleine Land mehr Bomben abgeworfen, als auf der ganzen Welt im zweiten Weltkrieg – und wir haben alle die Bilder von zerbombten Städten in Europa gesehen… Bis heute gibt es Regionen, die wegen Landminen nicht sicher zu betreten sind. Ich kann einfach nur hoffen, dass es so etwas in der Geschichte unserer Erde einfach nie, nie wieder geben wird! Krieg ist NIE eine Lösung! Ein paar Bilder habe ich – wer sie nicht sehen mag, überschlage die nächste Galerie!

Zu schöneren Dingen

Nachdem wir beide nach einem letzten Foto von einem Friedens-Wunsch-Poster etwas bedrückt aus dem Museum kamen, sind wir mit einem “Grab” zu dem Lotusknospen-Finanz-Turm gefahren. Man kann dort nämlich gegen Gebühr hoch fahren und ich fand die Aussichten auf Tokyo oder Singapur so schön, dass ich das auch in HCMC gerne machen wollte. Wir finden, das hat sich gelohnt :D

Markttreiben

Anschließend sind wir dann zum zentralen Markt gefahren und dort ein wenig herum geschlendert. Unter dem überdachten Areal gibt es kurzum ALLES! Früchte und Gemüse, jede Menge (Fake-Marken) Klamotten, Schmuck, Haushaltsartikel… Die Geräusche und Gerüche können geradezu überwältigend sein

Traditionen

Nach dem Markt haben wir uns ein erstklassiges, vegetarisches Abendessen gegönnt, bevor es zum traditionellen Wasserpuppentheater ging :) Das war wirklich sehr beeindruckend! Die Puppenspieler bewegen verschiedene Figuren mit Geschick und Kraft hinter einem Vorhang im Wasser. Wir haben zwar kein Wort verstanden, aber vieles ging auch ohne Sprache, nur mit Musik!

Wasserbus und Skyline

Als letzte Station unseres langen Tages hatte uns unser Guide vom Morgen empfohlen, den Wasserbus eine Station den Fluss hoch zu nehmen und auf dem Hin- und Rückweg die beleuchtete Skyline zu genießen. Gesagt, getan und es hat sich wirklich gelohnt. Wir sind übrigens den ganzen Tag mit Grab unterwegs gewesen und haben insgesamt glaube ich keine 5 € bezahlt…

Rotlicht

Als ich (zwar einen Tag später, aber es passt thematisch besser hier her) zu meinem Hotel zurück kam, wurde ich sozusagen auf der rückwärtigen Straße abgesetzt. Ich hatte mich schon gewundert, wo am Vorabend (Samstags) die Techno-Musik her kam (im Zimmer war es aber leise), nun sah ich es… Hinter dem Hotel führt DIE Rotlicht-Vergnügungsstraße von HCMC entlang. Da ich aber keine anstößigen Bilder posten will, gibt es nur ein dort aufgenommenes Symbolbild – und das Empfangskomitee, dass mich dann in der kleinen Gasse am Hotel begrüßte. Die drei gucken schon SEHR vorwurfsvoll, finde ich ;)

Ein letzter Punkt am Rande… (Triggerwarnung für Hundefreunde!)

Uns hat sehr gewundert, dass es hier so gut wie keine Straßenhunde gibt. Unser Guide hat uns erklärt, dass alle Haustier-Hunde Halsband tragen und nachts in der Regel auch drinnen verbringen, denn es gibt in Vietnam den Beruf des Hundefängers. Die gefangenen Hunde werden alle an Restaurants in einer bestimmten Gegend verkauft… Wenigstens leiden die so nicht jahrelang an Flöhen Würmern, Räude und Verletzungen von Autos…

Cu Chi Tunnel

Am darauf folgenden Tag hatte ich eine Tour zu den Cu Chi Tunneln gebucht. Die Nordvietnamesen führten bereits gegen die Franzosen und später auch gegen die USA einen Guerilla-Krieg aus dem Untergrund. Es gab nur wenig nördlich von Saigon ein 200km langes, dichtes Netz aus Tunneln (der längste hat 40km bis zur Grenze von Kambodscha), teilweise drei oder vier Stockwerke tief. Diese kann man heute besichtigen. Die Tunnel waren mit einfachsten Mitteln gegraben, häufig nur 40-50 cm hoch, mit ausgeklügelten Systemen zur Ventilation (mit Bambus-Röhren, die in Termitenhügeln endeten) und zur Ableitung von Rauch aus der Küche sowie etlichen Fallen und Notausstiegen in den Saigon Fluss. So konnten die Nordvietnamesen vor allem Nachts wie aus dem Nichts Überfälle tätigen und wieder verschwinden. Auch die (wirklich übel brutalen) Fallen wurden gezeigt. Grundsätzlich fand ich das schon sehr spannend, denn wie wir wissen, waren die Vietnamesen am Ende trotz ihrer technologischen Unterlegenheit erfolgreich. (Wer das nicht sehen mag – Galerie überspringen)

Wir sind tatsächlich auch in das berühmte “Loch” herab gestiegen, dass man dann unsichtbar mit einem Deckel zu machen konnte (und ich brauchte die Hilfe zweiter starker Leute, um meinen breiten Hintern wieder aus dem Loch heraus zu bekommen). Außerdem sind wir einen längeren Tunnel auf 2 Ebenen entlang gekrabbelt – es war extrem heiß, stickig und beklemmend. Zum Glück gab es Notausstiege nach 20m, 40m (den habe ich genommen), 60m und 2 Leute sind tatsächlich die vollen 100m gekrabbelt. Das war mir dann doch zu krass. Und die Vietnamesen haben dort teilweise JAHRE gelebt.

Auch sonst war der Erfindungsreichtum der Vietnamesen schon erstaunlich. Unter anderem gab es Sandalen aus LKW-Reifen, die man auch falsch herum anziehen konnte. So konnten Spuren in die falsche Richtung gelegt werden. Die Ernährung bestand meistens aus Tapioka-Wurzeln mit Erdnüssen. Schmeckt ganz prima. Der Rauch der Küchen wurde weiträumig umgeleitet und dann unter feuchtem Blattwerk fast unsichtbar nach außen geleitet. Fiel doch einmal Rauch auf und wurde die Stelle mit Bomben beworfen, passierte nichts – denn die Küche war komplett wo anders. In anderen Räumen wurden nicht explodierte Bomben aufgesägt und das Sprengmaterial dann in Landminen Marke Eigenbau weiter verwendet. Ein äußerst gefährlicher Job…

Schüsse im Wald

Was mich aber wirklich, wirklich irritiert hat, ist, dass man in Cu Chi heute noch mit den Original-Waffen aus der Zeit schießen kann. Es gibt eine (extrem beliebte) Schießbahn. Auf dem Weg durch das “Open Air-Museum” hört man das schon immer wieder und man kommt dem auch immer näher. Ich habe in den Dschungel geschaut und konnte mir sehr gut vorstellen, wie man sich (auch als Zivilist) fühlen muss, wenn man so etwas hört, aber nicht weiß, wo das her kommt oder ob das näher kommt. Erneut etwas, dass mich eher verstört und nachdenklich zurückgelassen hat. ich verstehe auch nicht, warum man so etwas als Touristenattraktion anbietet. Für mich ist das der Gipfel der Geschmacklosigkeit an so einem Ort.

Weiter ins Mekong Delta

Mir wurde zwar dringend davon abgeraten, diese beiden “Attraktionen” an einem Tag zu machen, aber ich hatte nur 2 volle Tage (3 Nächte) in HCMC gebucht und wollte dann weiter. Daher bin ich nicht – wie eigentlich besser gewesen wäre – 2 Tage und eine Nacht ins Mekong Delta, sondern auf einen sehr (!) kurzen Abstecher am Nachmittag hin. Hier sind wir auch wirklich nur kurz auf ein Boot, haben eine kleine Volksmusik-Gesangseinlage bekommen und sind postwendend wieder zurück. Nächstes Mal bleibe ich definitiv länger und schaue mir auch den “Floating Market” an.

Und das war es dann auch “schon” aus HCMC und Umgebung. Es hätte sicherlich noch mehr anzuschauen gegeben, aber für einen ersten, kurzen Eindruck war es gut so. Als nächstes machte ich nämlich einen recht spontanen “Umweg” nach Phu Quoc, einer Insel im Süd-Westen, wo ich eine andere Weltreisende besucht habe. Aber davon – erzähle ich gerne beim nächsten Mal mehr :)

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