Die nächste Etappe in Vietnam führte mich grob in die Mitte des Landes. Ich landete in Da Nang, fuhr aber sogleich in die nur 20 Minuten entfernte Stadt Hoi An. Einerseits ist es hier unheimlich touristisch, andererseits sind die Altstadt, die unzähligen Laternen (Hoi An wird auch “Laternenstadt” genannt) und die beleuchteten Gondeln auf dem Fluss unglaublich schnuckelig. Allerdings finde ich es schwierig, dass tagtäglich hunderte Papierlaternen mit Kerzen von Touristen in den Fluss “entlassen” werden. Wer einmal früh am morgen in der Stadt ist sieht, wie die Berge von Müll aus dem Wasser gezogen werden müssen, um wieder eine schöne Kulisse für den nächsten Abend zu haben. Wenigstens wird kein Plastik verwendet… Ursprünglich war das “Laternenfestival” nur einmal jährlich. Die Farben bedeuten natürlich wie immer etwas: rot für Glück und glücklich sein, blau für Frieden und Hoffnung, gelb für Wohlstand. Die Form ist einer Lotosblüte nachempfunden.
Geschichtsträchtig
Ich habe natürlich wieder einmal einen “Guru Walk” mit gemacht und habe (über das Laternen-Thema hinaus) sehr viel gelernt: Hoi An war zwischen dem 13ten und dem 15ten Jahrhundert das Zentrum für japanische und chinesische Stoffhändler, demnach haben diese Kulturen ihren Einfluss hier hinterlassen. Der Name bedeutet sowohl “friedlicher Leseort” als auch “Laternenstadt”. Die Laternen sind ein Erbe der Chinesen. Sie wurden eingeführt, damit die chinesischen Immigranten sich mehr zuhause fühlten. Es gibt aber auch typisch japanische Laternen (die länglichen) und viele vietnamesische Adaptionen.
Die Häuser in Hoi An haben alle zwei Etagen, denn es gibt schon immer regelmäßige Überflutungen an den Ufern. Das Problem ist, dass es jetzt flussaufwärts eine Damm gibt, der mehr oder weniger regelmäßig geöffnet wird. Daher bekommt Hoi An etwa einen bis zwei Tage Vorwarnung. Das Erdgeschoss aller Gebäude wird dann fix nach oben geschafft. 2017 gab es die schlimmste Überschwemmung seit Jahrhunderten. 2023 gab es nur eine “reguläre” Überschwemmung – und das ist für den Reisanbau dann leider zu wenig und auch sehr ungewöhnlich.
Eigentlich erstaunlich, dass hier immer noch Original-Häuser aus dem 16ten Jahrhundert stehen! Das Holz ist irgendwie imprägniert (mit Feuer und Rauch), was es wohl unheimlich haltbar macht. Heutzutage wohnt aber niemand mehr in der Altstadt. Durch den Tourismus kann sich das niemand mehr leisten. Demnach ist Hoi An eine endlose Aneinanderreihung von Souvenirgeschäften für Touristen und einigen Schneidereien. Denn als Stoff-Handelszentrum hat es sich bis heute den (verdienten) Ruf erhalten, binnen 24 Stunden erstklassige, maßgeschneiderte Anzüge und Kleider fertigen zu können. Ich habe mir nichts schneidern lassen, aber habe mir sagen lassen, dass es sich lohnt, mit leerem Koffer an zu reisen, wenn man neue geschäftliche Klamotten gebrauchen kann ^^
Spirituell
Ich habe auch viel gelernt über die Bräuche. Das es zum Beispiel Haus-Altäre gibt. Jedes Haus wird verehrt wie eine Person, es ist Teil des Haushalts. Der Geist des Hauses beschützt die ganze Familie. Außerdem gibt es einen zweiten Altar für die Verstorbenen der Familie. Auch diese wachen über die Lebenden. Das Verbrennen von Räucherwerk schafft eine Verbindung zur spirituellen Welt. Läuft ein Geschäft schlecht, macht man ein größeres Feuer und treibt so das Unglück und die schlechten Geister aus.
Auch sonst gibt es viele Geschichten und Legenden. Leider war das eigentliche Wahrzeichen von Hoi An, die überdachte, japanische Brücke, in Renovierung. Es gibt eine Legende, dass ein riesiges Monster Vietnam, Japan und China verbindet. Der Kopf ist in Vietnam, der Körper in Japan und der Schwanz in China. Immer, wenn es sich bewegt, passieren Unglücke. Also hat man die Brücke gebaut, um das Monster zu besänftigen. Spannende Argumentation ^^
Hier wird nichts ohne Bedeutung gemacht. Die Anzahl der Ringe des typisch vietnamesisch traditionellen “Nong La” Bambus-Huts, die Kürbis-Basis von Säulen, rote Flaggen und Augen-Dekoration für Häuser oder Schiffe, Tier-Symbole. Bis heute hält man an diesen Überzeugungen und Traditionen fest. Weil, könnte ja sein…
Ein Punkt, der uns hier noch einmal vor Augen geführt wurde: der aus China stammende und heute in Vietnam verbotene Brauch, Mädchen die Füße in viel zu kleinen Schuhen ein zu schnüren, weil kleine Füße ja ach so attraktiv sind… Wirklich zum Glück. Die Schmerzen müssen fürchterlich gewesen sein.
Nachwehen
Es werden an vielen spirituellen Orten auch Spenden gesammelt. Einige der Spenden gehen auch heute noch an die Nachkommen der Dioxin (Agent Orange) Opfer. Der Vater unserer Führerin hatte beispielsweise komplett verkrüppelte Beine – als Kind aus den 70ern vielleicht noch nachvollziehbar. Aber selbst unsere Führerin hat 6 Zehen. Die genetischen Defekte werden also weiter gegeben, wenn vielleicht auch nicht mehr ganz so drastisch.
Pagoden vs. Tempel
Ich bin mir fast sicher, dass ich das schon mal geschrieben hatte, aber ich wollte es noch einmal festhalten: Tempel sind Taoistisch und verehren große Persönlichkeiten der Geschichte. Pagoden sind Buddhistische heilige Orte – ob da nun eine Pagode steht oder nicht 😉 Ich habe natürlich während und auch nach meinem Guru Walk noch einige besucht. Daher hier noch ein paar Bilder:
Noch ältere Geschichte
Hier in Zentral-Vietnam kann man unheimlich viele Ausflüge in die Umgebung machen. Ich hatte mich als erstes für “My Son” (gesprochen Mi Son) entschieden. Die hinduistische Champa Tempelanlage wurde zwischen dem 4ten und 13ten Jahrhundert aus Ziegeln erbaut. Bis heute weiß man nicht genau, wie die Ziegel hergestellt wurden und ob überhaupt Mörtel benutzt wurde (es sieht nicht so aus), denn die originalen Teile der Tempel sind nach wie vor absolut rot, trocken und frei von Bewuchs, obwohl Vietnam zu den regenreichsten Gegenden der Welt gehört. Die wieder aufgebauten und (mit Mörtel) nachgebildeten Teile sind nass, werden binnen kürzester Zeit schwarz und sind mit Moos bewachsen. Wirklich erstaunlich. Die Tempel sind nicht nur Shiva gewidmet, sondern auch “Grabmäler” für die Geister etlicher Könige.
Indien hilft bei der Restauration der Tempel. Leider wurden über 50 Tempel bei der Bombardierung durch die Amerikaner in nur zwei Stunden zerstört, es sind nur Reste von etwa 20-30 Tempel übrig. Es war allerdings auch nicht unbedingt die beste Idee, dass sich hier die Nord-Vietnamesische Armee verschanzt hatte :/ Tatsächlich stoppten die Franzosen den Angriff, sonst wäre heute gar nichts mehr übrig. Es werden allerdings immer noch Ruinen im Dschungel entdeckt. Einfach ist das aber nicht, denn es gibt hier auch immer noch Gebiete, in denen nicht alle Bombenreste und Landminen entfernt wurden. Man hat 1990 aufgehört nach Minen zu suchen. Sieht man ein blaues Schild, sollte man lieber umkehren…
Esspapier
Auf dem Rückweg machten wir noch einen Abstecher zu einem Hersteller von Reispapier. Der Reis wird hierzu vom Spelz getrennt (dieser dient als Feuermaterial), gemahlen, dann mit Wasser gekocht und die resultierende, dicke Flüssigkeit auf einer Art Crêpe-Eisen verteilt. Man nimmt das Reispapier dann mit einer um einen Stock oder ein Plastikrohr gewickeltes Handtuch von der Kochplatte ab und legt es auf ein Gitter, um es in der Sonne zu trocknen. Mit Sesam bestreut und gebackten wird es auch gerne als Cracker verwendet (sehr lecker übrigens). Das frische, weiche Reispapier nutzt man, um Gemüse und Fleisch darin ein zu rollen. Man tunkt sie entweder in Fischsauce, gerne aber auch in zerstoßene Erdnüsse mit Salz oder Sojasoße. Ich fand’s richtig lecker 😀
Weiter in die Großstadt
Nach meinem Besuch in My Son bin ich umgezogen nach Da Nang, eine florierende Großstadt. Von hier aus habe ich zwei weitere schöne Ausflugsziele besucht und den Strand genossen – aber da dieser Beitrag dann zu lang werden würde, erzähle ich davon lieber beim nächsten Mal 🙂