Nach unserem Gorilla-Trekking-Tag hätten wir theoretisch einen Tag frei gehabt. Da ich das auf dieser Tour jedoch so garnicht gewöhnt war, habe ich mich entschieden eine Tagestour nach Ruanda mit zu machen. Zu dritt fuhren wir also mit unserer Führerin über die Grenze, durch Kigali bis nach Nyamata. Das Land ist grün und wunderschön!
Der Genozid
Ruanda hat über 200 Genocide Memorial Sites. Für mich ist es nach wie vor einfach unvorstellbar, wie in unseren modernen Zeiten immer noch Genozide stattfinden können. Ruanda war ursprünglich von den Deutschen „kolonialisiert“, bis nach dem ersten Weltkrieg die Belgier „übernahmen“. Die Europäer führten plötzlich „Rassen“ ein. Jeder mit mehr als 10 Kühen war ein Tutsi, jeder mit weniger als 10 Kühen war ein Hutu. Anfangs konnte man durch Erfolg oder Misserfolg zwischen diesen Gruppen wechseln. Bis die Belgier eine „Rasse“ in den Pass schrieben.
Zunächst erhoben die Belgier die Tutsi in lokale Verwaltungsposten und bildeten diese Personengruppe durchaus. Als die Tutsi unbequem wurden, weil sie plötzlich verstanden, welchen Ungerechtigkeiten die Ruander ausgesetzt waren, begannen die Belgier die Hutu zu unterstützen und redeten ihnen ein, die Tutsi würden alle Hutu unterdrücken. Seit den 50er sahen sich die Personen, die „Tutsi“ im Pass stehen hatten, Hass, Verfolgung, Unterdrückung und Vertreibung ausgesetzt. Immer wieder kam es zu Gewaltausbrüchen gegen Tutsi, viele flüchteten in die Nachbarländer. Die Belgier unterstützten diesen Hass und die systematische Verfolgung bis zur Unabhängigkeit Ruandas in den 50er Jahren aktiv (ganz nach dem Motto „Conquer and Divide“), die Franzosen lieferten selbst in den 80er und 90er Jahren sogar Waffen an die militärischen Gruppen, die an den Gewaltakten beteiligt waren. Selbst katholische Priester predigten Hass und Spaltung!
1994 eskalierte die Situation dann endgültig. Nur zwei Jahre, bevor ich Abi machte, wurden von April bis Juni in nur 90 Tagen eine Million Menschen brutal ermordet. Mit Macheten und Hammern erschlagen, Babys gegen Wände geschleudert, Nachbarn gegen Nachbarn, Freunde gegen Freunde, selbst Familie gegen Familie. Eine unglaublich dunkle Zeit. Die UN zog ihre Leute ab und evakuierte Ausländer, statt den Terrormilizen Einhalt zu gebieten.
Erst der Einmarsch Ruandischer Truppen, bestehend aus geflüchteten Personen aus dem Ausland, konnte das völlig unkontrollierte Morden stoppen und setzte eine Übergangsregierung ein, welche inzwischen durch gewählte Vertreter abgelöst ist. Seitdem befindet sich das Land in einer Phase der Aufarbeitung, der Heilung, der Aussöhnung und der Vergebung. Und sie sind auf einem guten Weg.
Nyamata Genocide Memorial
In Nyamata steht eine Kirche, in der seit den 50er bei immer wieder aufflammenden Gewaltakten Tutsi Zuflucht suchten und immer verschont blieben. Nicht so 1994. Etwa 20.000 Menschen, die in und um die Kirche Zuflucht suchten, wurden ermordet. Das originale Kirchentor, das durch Granaten aufgesprengt wurde, ist noch dort. Das Dach ist voller Löcher von Schrapnellen und Kugeln. Die Wände und der Boden sind fleckig und löchrig.
Geht man hinein, findet man Kirchenbänke voller Kleidung. Es stehen etliche Särge in der Kirche. Darin befinden sich bis zum Rand Gebeine von Toten, die man bis heute überall im Land noch findet. Eine Identifikation ist natürlich unmöglich. Wegen Covid kam man leider mit der Beisetzung im angrenzenden modernen Massengrab nicht nach. Das Altartuch ist rot-braun fleckig.
Unter der Kirche wurde ein Raum gebaut, wo in einer Glaspyramide etliche Schädel mit Löchern an all den falschen Stellen aufgebahrt sind. Die Stimmung ist unfassbar erdrückend, niederschlagend, tief aufwühlend und ich habe immer wieder Tränen in den Augen, wenn ich nur daran denke. Im Anschluss konnten wir das Massengrab nebenan kurz besuchen. Ich kann das Gefühl, zwischen 20.000 Toten Menschen zu stehen, nicht beschreiben. Die Regale sind voll mit Särgen, jeder Sarg bis zum Rand gefüllt mit Gebeinen. Aber es hat mich tief berührt und wirkt sicher noch lange nach.
Man darf in der Kirche und dem Grab natürlich nicht fotografieren. Jedoch von Außen. Neben der Kirche sind heute eine neue Kirche sowie mehrere Schulen. Kinderlachen hallt durch die Luft und ich stimme unserem Guide zu: Es gibt Hoffnung und die neuen Generationen wachsen hoffentlich anders auf. Auch, wenn der über Jahrzehnte etablierte Hass in den Köpfen der älteren Menschen natürlich nicht so einfach ausgeschaltet werden kann.
Kigali
Kigali ist die Hauptstadt Ruandas. Auf dem Rückweg durch die Stadt besuchten wir das Kigali Genocide Memorial Museum. Hier machten wir eine geführte Audiotour durch das Museum, die Außenanlagen und entlang der Massengräber, in welchen bis heute etwa 250.000 Opfer beigesetzt sind. Auch hier ist eines noch offen, denn mehrfach in der Woche werden neue Funde gebracht.
Die Videoaufnahmen und Fotos sind verstörend. Die Hintergründe werden mit deutlich mehr Worten erklärt, als ich es hier kann. Und auch die wenigen guten Momente, die Menschen, die geholfen haben, die Prozesse im Anschluss und auch die Vergebung und der Prozess der Heilung werden hervorgehoben. Ich spendete einen guten Betrag an eine britische Organisation, welche gegen Genozide auf der Welt kämpft (Aegis) und kaufe ein Armband und einen Pin, um das Museum zu unterstützen. Am Ende waren wir etwa drei Stunden dort – viel länger als geplant. Wir aßen zuletzt von im Hotel Des Milles Collines, in dem der Film „Hotel Ruanda“ gedreht wurde. Extrem empfehlenswert, wenn auch nicht günstig. Anschließend ging es zurück an den Lake Bunyoni.
Als Fazit kann ich nur sagen: Wer Afrika besuchen mag, der sollte sich unbedingt eine oder zwei Wochen in Ruanda aufhalten. Neben der tragischen Historie sind die Menschen sehr offen und freundlich, die Infrastruktur ist super, der Verkehr fährt auf der richtigen Seite (ansonsten ist gefühlt in ganz Afrika Linksverkehr), es gibt tolle Natur und Nationalparks (hier leben auch viele Berggorillas) und überhaupt habe ich mich dort mit am wohlsten gefühlt.
Eine Antwort
Puh……. 🙁